DICO-Interview mit Herrn Thomas Barowski, Referatsleiter des Referats für Grundsatz- und Verfahrensfragen im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), zu dem Umgang mit dem Iran-Embargo.

Bitte beachten Sie, dass das Interview (Fragen 1-8) Ende 2015 geführt wurde und nach Eintritt des „Implementation Day“ am 16.1.2016 um weitere Fragen (Fragen 9-11) ergänzt wurde.

Frage 1

DICO: Nach langen Verhandlungen haben sich die sieben an den Verhandlungen beteiligten Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Iran, China, Russland, USA) auf einen sog. Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA, auch Wiener Übereinkommen) geeinigt und den Wiener Aktionsplan erarbeitet. Sobald die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) den Vereinten Nationen (VN) bestätigt, dass der Iran erste grundlegende Schritte zum Rückbau seines Nuklearprogramms durchgeführt hat und damit seinen nukleartechnischen Verpflichtungen nach dem Wiener Übereinkommen nachgekommen ist, sollen die Sanktionen gelockert werden.

Wann rechnen Sie damit?

Thomas Barowski: Wann die Lockerungen der Sanktionen endgültig wirksam werden (sog. Implementation Day), kann derzeit noch nicht belastbar abgeschätzt werden. Nach den zugrundeliegenden Vereinbarungen wird der Sanktionsrückbau erst vollzogen, nachdem die IAEO einen Bericht vorgelegt hat, der die Erfüllung der iranischen Verpflichtungen aus dem JCPOA zur Umsetzung erster technischer Beschränkungen des iranischen Nuklearprogramms bestätigt hat. Nach hier vorliegenden Informationen ist mit der Vorlage eines derartigen Berichts im ersten Quartal 2016 zu rechnen. Um allen Beteiligten die nötige Rechtssicherheit zu gewährleisten, wird die Europäische Union im Amtsblatt der EU den Tag des Geltungsbeginns der Sanktionslockerungen veröffentlichen.1

Durch die Veröffentlichung des Beschlusses (GASP) 2015/1863, der Verordnung (EU) 2015/1861 und der Durchführungsverordnung 2015/1862 hat die Europäische Union aber ihre Verpflichtungen aus dem Wiener Übereinkommen und der Resolution 2231 (2015) umgesetzt, bis zum „Adoption Day“ Rechtsakte zur Aussetzung bzw. Aufhebung der im Wiener Übereinkommen detailliert beschriebenen Wirtschafts- und Finanzsanktionen sowie Personen- und Unternehmenslistungen zu publizieren.

Frage 2

DICO: Nachdem die Weichen für die Rücknahme der Sanktionen gestellt sind, fragen sich die Exporteure in Deutschland, ob sie jetzt schon Geschäftsbeziehungen mit iranischen Unternehmen aufnehmen können.

Spricht da aus Ihrer Sicht etwas dagegen?

Thomas Barowski: Alle Wirtschaftsbeteiligten, die Geschäftsbeziehungen mit iranischen Unternehmen aufnehmen wollen, müssen sich bewusst sein, dass die Sanktionen noch nicht geändert sind. Die Verbote und Genehmigungspflichten der Iran-Embargoverordnung (Verordnung EU Nr. 267/2012) gelten daher unverändert fort.

Die Unternehmen müssen weiterhin in einem ersten Schritt prüfen, ob die Geschäfte, die sie durchführen wollen, von den Beschränkungen der derzeit gültigen Iran-Embargoverordnung erfasst sind.

Sofern dies der Fall ist, müssen sich die Unternehmen bewusst machen, dass nicht nur die Ausfuhr, sondern auch die Erbringung technischer Hilfen und der Verkauf sanktionierter Güter immer noch verboten oder genehmigungspflichtig sind. Bindende Vertragsschlüsse über Güter, deren Ausfuhr derzeit verboten ist, sind damit verboten. Verboten sind im Übrigen auch Vertragsschlüsse mit Kunden, die derzeit noch mit Bereitstellungsverbot belegt sind. Zur Frage, ob eine Vereinbarung in diesem Sinne als rechtsverbindlich oder als rechtlich unverbindlich anzusehen ist, ist eine sehr genaue Prüfung durch die Rechtsabteilung der Unternehmen unabdingbar.

Frage 3

DICO: In der Verordnung (EU) 2015/1861 des Rates vom 18. Oktober 2015 (zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran) wird festgelegt, dass auch in Zukunft nicht alle Produkte ohne Genehmigung in den Iran geliefert werden dürfen.

Rechnen Sie mit einer Flut von Anträgen? Und wenn dem so ist, wie bewältigen Sie das personell?

Thomas Barowski: Ja. Die von der EU publizierten Änderungen werden zwar von vielen Wirtschaftsbeteiligten als Sanktionslockerungen wahrgenommen und bezeichnet. Tatsächlich werden aber viele der derzeit bestehenden Verbotstatbestände in Genehmigungspflichten umgewandelt. Die Unternehmen können zwar bestimmte Güter, deren Ausfuhr derzeit noch verboten ist, künftig in den Iran liefern, benötigen hierfür aber eine vorherige Genehmigung des BAFA. Zu nennen sind insbesondere Ausfuhren von Dual-use Gütern des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 (EG-Dual-use Verordnung) mit Ausnahme der Güter, die dem Internationalen Exportkontrollregime des MTCR (Missile Technology Control Regime) entstammen, sowie die Güter der Anhänge II, III, VIIa und VIIb der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 in der heute geltenden Fassung.

Daneben zeigen die Erfahrungen aus früheren Sanktionsregimen, dass Änderungen von Embargomaßnahmen immer zu einem erheblichen Anstieg von Verfahren auf Erteilung eines Bescheides, in dem die Zulässigkeit des Ausfuhrvorhabens bestätigt wird (sog. Nullbescheid), geführt haben. Angesichts der fortbestehenden Komplexität der Iransanktionen wird dies sicherlich auch nach Eintritt des Implementation Day der Fall sein, zumal die Anzahl der Nullbescheidsverfahren bereits seit Jahren kontinuierlich ansteigt.

Das BAFA bemüht sich um personelle Verstärkung und wird im Übrigen den Prozess kontinuierlicher Optimierung und Verschlankung der Verfahrensschritte fortsetzen. Alle Wirtschaftsbeteiligten sollten sich jedoch auf einen vorübergehenden Anstieg der Bearbeitungszeiten einstellen. Dies gilt insbesondere für Verfahren zur Ausfuhr von Gütern, die dem NSG-Regime2 entstammen, da bei diesen Verfahren eine Vielzahl weiterer Arbeitsschritte und Beteiligungen Dritter, insbesondere der Vereinten Nationen, erforderlich werden.

Frage 4

DICO: Welche Art von Gütern fällt dann zukünftig unter eine Genehmigungspflicht?

Thomas Barowski: Wie bereits dargelegt, werden viele der derzeit bestehenden Verbots-tatbestände in Genehmigungspflichten umgewandelt. Genehmigungspflichten bestehen künftig für Ausfuhren von Dual-use Gütern des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 mit Ausnahme der Güter, die dem Internationalen Exportkontrollregime des MTCR (Missile Technology Control Regime) entstammen, sowie für Ausfuhren von Gütern der Anhänge II, III, VIIa und VIIb der Verordnung (EU) Nr. 267/2012. Daneben sind Art. 4 der EG-Dual-use Verordnung (Verordnung EG Nr. 428/2009), § 9 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) sowie die Beschränkungen der sog. Iran-Menschenrechtsverordnung (Verordnung EU Nr. 359/2011) weiterhin zu beachten. Auch die Feuerwaffenverordnung (Verordnung EU Nr. 258/2012) und die sog. Anti-Folterverordnung (Verordnung EG Nr. 1236/2005) gelten unverändert fort.

Frage 5

DICO: Dürfen in Zukunft auch Rüstungsgüter mit der entsprechenden Genehmigung in den Iran geliefert werden?

Thomas Barowski: Nein, das Waffenembargo bleibt unverändert bestehen.

Frage 6

DICO: Wissen Sie, ob die Amerikaner die verhängten Sanktionen auch lockern werden?

Thomas Barowski: Im JCPOA haben sich auch die USA zu einem Abbau von Sanktionen verpflichtet. Nähere Einzelheiten hierzu sind dem BAFA aber nicht bekannt.

Frage 7

DICO: Was passiert denn, wenn der Iran anfänglich mitspielt und nach der Lockerung der Sanktionen die Arbeiten an seinem Nuklearprogramm wieder aufnimmt?

Thomas Barowski: Sofern der in der VN-Resolution vorgesehene Streitbeilegungsmechanismus ergebnislos durchgeführt wurde, werden die Sanktionslockerungen der Vereinten Nationen rückgängig gemacht (sog. Snap Back). Zu berücksichtigen ist aber, dass dieser Snap-back Mechanismus nur die proliferationsrelevanten Sanktionen betrifft, die auf VN-Ebene erlassen wurden. Der Eintritt des Snap-back hat somit nicht automatisch auch ein Wiederaufleben der Wirtschaftssanktionen zur Folge, die seitens der EU verhängt wurden. Ob diese ebenfalls aufgehoben würden, bedarf im Falle eines Snap-backs einer Entscheidung durch die zuständigen Gremien der EU.

Frage 8

DICO: Wo können sich die Unternehmen informieren?

Thomas Barowski: Das BAFA bietet auf seiner Homepage einen Informationsdienst zu allen Rechtsänderungen. Daneben hat das BAFA ein neues Merkblatt zu den Entwicklungen des Iran-Embargos veröffentlicht. Dieses Merkblatt ist modular aufgebaut und wird bei weiteren Änderungen des Iran-Embargos entsprechend ergänzt. Eine weitere Informationsquelle sind der BAFA-Newsletter und das aktuell neu aufgelegte Merkblatt „BAFA und Exportkontrolle“. In diesem Merkblatt wird dargelegt, auf welchen Wegen sich die Unternehmen an das BAFA wenden können und welche Ansprechpartner für welche Rechtsfragen bestehen.

Bei Fragen zum Sachstand bereits gestellter Anträge hat das BAFA daneben eine Info-Stelle Exportkontrolle Antragssachstand eingerichtet, die unter der Telefonnummer 06196/908-1868 erreicht werden kann.

Die Fragen 9 bis 11 wurden von Herrn Barowski nach Eintritt des Implementation Days beantwortet.

 

Frage 9

DICO: Die meisten Verbote wurden mit dem Implementation Day gestrichen. Rechnen Sie nun mit einer Flut von Anträgen? Wäre das BAFA personell darauf eingestellt?

Thomas Barowski: Wie rechnen mit einem erheblichen Anstieg an Antragsverfahren. Die Änderungen der Sanktionen werden zwar weit überwiegend als Lockerung dargestellt, was auch zutrifft, da eine Vielzahl von Verboten gestrichen wurde. Allerdings wurden viele Verbote in Genehmigungspflichten umgewandelt, was bei uns zwangsläufig zu einem Anstieg der Antragsverfahren führen wird. Unsere Erfahrungen in der Vergangenheit haben auch gezeigt, dass das Interesse am Erhalt eines Nullbescheids auch nach Aufhebung von Sanktionen bestehen bleibt, so dass auch hier mittelfristig nicht von spürbar geringeren Antragsverfahren ausgegangen wird. Letztlich muss auch abgewartet werden, in welchem Umfang das BAFA Verfahren, die von anderen Staaten in den Beschaffungskanal eingespeist werden, überprüfen soll. In personeller Hinsicht haben wir Verstärkung angefordert und teilweise bereits erhalten. Dieses Personal wird nun eingearbeitet und wird mittelfristig sicherlich dazu beitragen, den Antragszahlen gerecht zu werden. Ein kurzfristiger Anstieg der Bearbeitungszeiten kann allerdings nicht ausgeschlossen werden.

Frage 10

DICO: Die führenden deutschen Bankinstitute, aber auch europäische Banken, haben Zurückhaltung geäußert, vor allem, weil die USA die Sanktionen nicht in dem Maße aufgehoben haben wie die EU. Wie schätzen Sie diese Situation ein? Sollte die deutsche In-dustrie warten oder sich z. B. russischen, chinesischen oder indischen Banken zuwenden?

Thomas Barowski: Zum Bankensektor kann ich Ihnen leider keine Angaben machen.

Frage 11

DICO: Können Sie schon sagen, wann das neue Merkblatt des BAFA erscheinen wird?

Thomas Barowski: Das Merkblatt des BAFA wird spätestens morgen3 auf der Homepage freigeschaltet.

 

Fußnoten:

1 Der „Implementation Day“ war unterdessen am 16.1.2016.

2 Erläuterung durch DICO-Redaktion: Die Nuclear Suppliers Group (NSG) ist ein Zusammenschluss von Staaten, die über Nukleartechnologie verfügen und die zur Nicht-Weiterverbreitung von Kernwaffen beitragen wollen, indem sie gemeinsame Richtlinien zur Exportbeschränkung umsetzen. 

Das Merkblatt wurde unterdessen auf der BAFA-Homepage veröffentlicht. Sie finden  das Merkblatt hier.